Das Fest im Himmel
Es verbreitete sich die Nachricht unter den Tieren der Savannen und der Wälder, dass im Himmel ein grosses Fest stattfinden würde. Alle Vögel und anderen flugfähigen Tiere waren dazu eingeladen – und alle Tiere, die keine Flügel hatten, platzten vor Neid.
Aber stellt euch einmal vor, wer auch auf dieses Fest gehen, beziehungsweise fliegen wollte? Der Ochsenfrosch! Ja, ausgerechnet der – schwer und träge, nicht einmal in der Verfassung einen kleinen Spurt hinzulegen, geschweige denn in die Höhen des Himmels aufzusteigen. Aber der Frosch behauptete steif und fest, er sei eingeladen worden, und nun würde er auch hingehen – Verzeihung – hinfliegen. Die anderen Tiere, besonders diejenigen, welche auch keine Flügel hatten, wollten sich ausschütten vor Lachen. Und die Vögel – nun, sie standen sowieso weit über diesem lächerlichen Ansinnen des Ochsenfrosches.
Aber der hatte seinen Plan. Am Vorabend des Festes besuchte er den Königsgeier, seinen besonderen Freund. Sie tranken einen zusammen und der Frosch erzählte ihm allerlei anzügliche Episoden, denen ein echter Geier nicht widerstehen kann – der Frosch unterhielt den Herrn des Hauses auf das köstlichste. Schliesslich meinte er: „Nun, Kamerad, es wird Zeit für mich – der Weg ist weit, und ich muss wieder früh raus!“
Und der Geier meinte noch: „Gehst du wirklich auf dieses Fest im Himmel?“ Und sein Freund der Ochsenfrosch entgegnete: „Worauf du Deine letzten Federn verwetten kannst!“
Anstatt nun aber den Heimweg anzutreten, machte er einen Bogen, betrat das Haus des Geiers von hinten und versteckte sich im hohlen Bauch seiner Gitarre, die auf dem Bett lag. In aller Herrgottsfrühe schnallte sich der Geier die Klampfe um und startete gen Himmel mit kräftigem Flügelschlag – rru-rru-rru . . .
Im Himmel angekommen, stellte der Geier seine Gitarre in eine Ecke und gesellte sich zu den anderen angekommenen Vögeln. Unser Frosch lugte mit einem Auge aus seiner Höhle im Bauch des Instruments und machte dann einen Satz – ohne bemerkt zu werden, gelangte er nach draussen und war mit sich und der Welt zufrieden.
Ihr macht euch wirklich keinen Begriff von dem überraschten Schock, der die Tiere befiel, als der dicke Ochsenfrosch plötzlich da oben im Himmel zwischen ihnen herumhüpfte! Sie bestürmten ihn mit Fragen, aber der schlaue Frosch laberte nur dies und das und genoss das ungläubige Staunen derer, die ihn offensichtlich unterschätzt hatten, und zwar über alle Massen. Das Fest begann, und der Frosch war überall viel bestaunter Mittelpunkt – aber er behielt sein Geheimnis für sich. Im Morgengrauen entschuldigte er sich und zog sich zurück, denn er musste sich um seinen Heimweg kümmern. Also hüpfte er wieder dort hin, wo der Geier seine Gitarre abgestellt hatte – und schlüpfte in ihren Bauch.
Als die Sonne aufging war das Fest vorbei, und alle Teilnehmer flogen davon – jeder in seine Richtung. Der Geier schnallte sich die Gitarre um und startete zur Erde zurück – rru – rru – rru . . . Dann, so auf halbem Weg, flog er eine Kurve – der Frosch wurde in seinem Verliess umhergekugelt und setzte sich wieder zurecht – als der Geier aufmerksam wurde und durch das Loch in die Gitarre hineinlugte. Und dann entdeckte er den Frosch, wie der dunkel und aufgebläht, wie eine Kugel da drinnen hockte und sich abstützte.
„Ah, Kamerad Frosch, so bist du also zum Fest im Himmel gelangt – auf meine Kosten und Anstrengung – nun, dein Vertrauen ehrt dich, aber . . . “ Was er ausserdem noch sagte, hörte unser armer Frosch schon nicht mehr, denn der erboste Geier dreht die Gitarre einfach um und kippte ihn nach draussen. Wie ein Stein fiel der nach unten und sein verhallendes Schreien klang wie: „Béu – Béu – Béu . . . wenn ich davonkomme geh‘ ich nie mehr auf ein Fest im Himmel „! Und als er die Berge dort unten gewahrte, die auf ihn zuschossen, rief er aus: „Geht weg ihr Steine, sonst zerschmettere ich euch!“
Dann schlug er auf, wie eine reife Frucht – zerplatzte wie eine saftige Melone – zerspritzte in viele kleine Teilchen. Aber unsere Gottesmutter, Nossa Senhora da Piedade, hatte Mitleid mit dem mutigen Frosch: sie sammelte alle seine einzelnen Teilchen, fügte sie fein säuberlich zusammen und hauchte dem Frosch dann wieder neues Leben ein. Nun beobachte mal, wenn du einen Ochsenfrosch triffst, wie runzlig und ungleichmässig seine Haut ist – voller Narben und Flicken – und jetzt weisst du auch warum“!