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Jaguar Beobachtung im Pantanal

Veröffentlicht am 9. November 2013 - 18:54h

Nur wenige Menschen haben das Privileg genossen, einen Jaguar – die grösste Raubkatze Südamerikas – in freier Wildbahn zu beobachten. Dazu geht die besondere Reise ins Innere Brasiliens – dem Pantanal – um dieses seltene Tier aufzuspüren. Die Tour führt durch das Nord-Pantanal, im Bundesstaat Mato Grosso. Und um die Besucher auf dieser Suche stets abzusichern, brauchen es eine ungewöhnliche Infrastruktur, nämlich die Unterstützung eines Hausbootes auf dem Rio Paraguai.

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Solange der Jaguar noch nicht zu sehen ist, gibt es andere interessante Tiere zu beobachten. Zum Beispiel Gruppen von Kaimanen, Vögel, Leguane, Riesenotter, einen Pantanal-Hirsch, und viele andere Tiere. Die Ferngläser registrieren sogar einen Kampf zwischen zwei kleinen bunten Vögeln. Doch gegen Ende des Ausflugs wird das Versprechen eingelöst – es kommt der Moment der Begegnung mit der Raubkatze, dem seltenen Juwel dieser wundervollen Region – man hält den Atem an.

Leben in all seinen mannigfaltigen Formen

Überraschend, atemberaubend, wunderbar… es ist schwierig, was man im Pantanal empfindet, in wenigen Worten auszudrücken. Das Feuchtgebiet ist die Wiege von 122 Säugetierarten, 93 Reptilien, 656 Vögeln, ohne die unglaubliche Anzahl der Fischarten und Insekten, und natürlich, die Vielfalt der Pflanzen. Ein unglaublich reiches Biom, mit dem die Natur fast verschwenderisch umgegangen ist.

Die Begegnung mit der Wildnis beginnt in dem ehemaligen Goldgräberort Poconé (Mato Grosso), am Anfang der Erdpiste “Transpantaneira“. So wie die “Transamazônica“ wurde dieses Projekt teilweise während der Militärregierung, in den 1970er Jahren, in Angriff genommen. Jedoch sollte diese Strasse das Nord-Pantanal mit dem Süd-Pantanal verbinden, endete aber an der Staatsgrenze von Mato Grosso, nach der Hälfte der geplanten Strecke, und das hat sich auch bis heute nicht geändert.

Inzwischen ist diese Hälfte der Transpantaneira zu einer touristischen Attraktion geworden, von der aus man die wilden Tiere bequem aus dem Auto heraus beobachten kann. Stets wachsam ist der “Gavião-belo“ (Wanderfalke), den man zwischen der trockenen Vegetation entdecken kann. Kormorane sitzen auf übers Wasser ragenden Ästen, um sich eine Mahlzeit zu ergattern. Reiher, Rohrdommeln, Wasserschweine – alle streben sie zum Wasser. Tuiuiú-Störche schreiten gravitätisch am Ufer der Wasserläufe auf und ab. Sie sind die Symbole des Pantanals – die grössten flugfähigen Vögel der Region. Und die zahlreichen Kaimane, die in Gruppen in der Sonnen dösen, sind eine spezielle Attraktion. Man sieht sie überall, wo ein kleiner Tümpel der Sonneneinstrahlung widerstanden hat – etwa drei Millionen soll es nach neuesten Schätzungen wieder im Pantanal geben – nachdem sie noch vor wenigen Jahren durch Wilderer fast ausgerottet worden sind.

arara azul_0020Immer in der Nähe hört man die Präsenz der Hyazinth-Aras, der grössten Papageienart der Welt. Sie stehen auf der Liste der bedrohten Arten. Man schätzt die Zahl frei lebender Exemplare heute auf zirka 4.000.

Entlang der Piste Transpantaneira gibt es 126 Brücken – die meisten sind aus Holz, und viele davon werden von der jährlichen Überschwemmungsflut beschädigt oder ganz weggespült und müssen jedes Jahr wieder instandgesetzt werden. Andere, die bereits längere Zeit der Flut standgehalten haben, sind morsch und müssen mit äusserster Vorsicht befahren werden. Daher ist es verständlich, dass die lokalen Bewohner in der Trockenzeit lieber dem Pferd den Vorzug geben, wenn sie sich in diesem Gelände fortbewegen, und während der Regenperiode dem Kanu. Und diese beiden Fortbewegungsmittel haben sich auch für Touristen bewährt, die das Pantanal erkunden wollen, seine einzigartige Landschaft mit seinem aussergewöhnlichen Tierleben.

Die Gruppe entdeckt ein Nest des Schopfkarakara (Caracara plancus), einer Falkenart, dessen vor wenigen Tagen geschlüpfte Junge ihre Hälse gierig krächzend der Mutter entgegenstrecken. An einem Tümpel entdecken wir einen anderen Falken, den Schneckenweih (Rosthramus sociabilis), der sich ausschliesslich von Muscheln und Schnecken ernährt.

Den Falken wird nachgesagt, dass sie besonders streitsüchtig sind. Aber im Pantanal verlieren sie diesen Ruf gegen einen kleinen Vogel, der zu den populärsten Singvögeln Brasiliens gehört und im Volksmund “João-de-barro“ (Lehmhans) genannt wird – es handelt sich um den Rosttöpfer (Furnarius rufus) – so genannt nach seinem halbkugelförmigen, kopfgrossen Nest, das er aus Lehm baut.

Die Ruhe selbst sind dagegen die “Tuiuiús“ (Jabiru mycteria), die Jaburu-Störche auf ihrem riesigen Nest mit zwei Jungen. Das Paar ist besonders umsichtig und wechselt sich ab in der Fütterung der Jungen und der Säuberung des Nestes, eine besondere Eigenschaft dieser Spezies. Während der eine auf die Jungen aufpasst, fliegt der andere zu einer Lagune und kehrt mit Futter zurück. Das Nest aus Reisig ist gross und so resistent, dass es eine erwachsene Person tragen könnte. Und dieselbe Struktur wird Jahr um Jahr wieder benutzt, und manchmal wohnen in seinem unteren Teil auch verschiedene Sitticharten als Untermieter.

Nicht weit davon, vor einer Baumhöhle, empfängt ein misstrauischer Bewohner die Besucher. Ein grüner Papagei (Amazona aestiva) lugt aus seinem Flugloch, schaut sich nach allen Seiten um und verschwindet dann schnell wieder in seinem Eigenheim.

Waldwanderung

Die Trockenperiode im Pantanal ist für einen Besuch am günstigsten, und sie erlaubt auch Erkundungen zu Fuss in den verschiedenen Waldgebieten. Es wird eine solche Wanderung auf der Suche nach neuen Eindrücken unternommen. Bald wird ein “Veado-mateiro“ (Mazama americana) – ein Roten Spiesshirsch entdeckt. Eine andere Spezies, der “Cervo-do-pantanal“ (Blastocerus dichotomus) – der Sumpfhirsch, ist vom Aussterben bedroht und eigentlich eher nachtaktiv und sehr scheu – sein imponentes Geweih zeigt er zwischen der hohen Vegetation, aber bei der geringsten Bewegung verschwindet er. Dieser Tag im Pantanal beschert dem Besucher viele überraschende Begegnungen – sogar für diejenigen, die solche Wanderungen häufiger unternehmen. Ein grosser Leguan kreuzt auch die Pfad, “Bugios“ (Alouatta) – Brüllaffen beobachten jede der Bewegungen aus sicherer Höhe, und am Flussufer spielt eine Gruppe “Ariranhas“ (Pteronura brasiliensis) – Riesenotter.

Auf der Suche nach dem Jaguar

GiaguaroJeder Tagesanbruch im Pantanal ist einzigartig. Völlig unerwartet machen sich die Tiere bemerkbar und wecken die auditiven und optischen Sinne der Menschen in ihrem Territorium – uns ergeht es nicht anders. Der heutige Tag beginnt mit einem Versprechen des erfahrenen Guide: einen gefleckten Jaguar zu finden! Touristen aus aller Welt – denn die meisten Gruppen bestehen aus Ausländern, warten auf einen solch bewegenden Kontakt mit der Natur. Und viele Touren im Pantanal werden auf sehr rustikale Weise durchgeführt, zu Pferd oder zu Fuss – stets mit Zwischenstopps, um zu beobachten und Momente mit der Kamera zu registrieren, die für viele Teilnehmer unvergesslich bleiben.

Um ins Revier der Grosskatzen zu gelangen, muss man allerdings grössere Strecken überwinden und sich besonderer Mittel bedienen. Es geht zur Transpantaneira-Piste zurück. Dann von Poconé aus nach Cáceres, ebenfalls im Bundesstaat Mato Grosso – zirka 200 Kilometer Anfahrt, diesmal auf asphaltierter Strasse. Nach der Ankunft eine weitere Überraschung: Die Unterbringung ist auf einem Hausboot, das auf dem Rio Paraguai verankert ist.

Auf kleinere Boote verteilt, suchen die einzelnen Teams Buchten und Arme des Flusses ab nach irgendwelchen Spuren der Raubkatzen. Stunden dehnen sich zu Tagen – es scheint nicht leicht zu werden, das Versprechen einzulösen. Schliesslich entdeckt man sogar ein paar Abdrücke von Jaguarpranken im weichen Sand eines Flussstrandes. Aber hinter ihm her… völlig zwecklos ohne Hunde, erklärt der Guide. Zurück am Fluss demonstriert eine Riesenotter-Familie, dass dieser Strand bereits besetzt ist. Und deshalb lassen sollte man sie auch beim Fischfang nicht stören.

Die Trockenheit hat ihren Höhepunkt erreicht und erschwert die Navigation von grösseren Schiffen auf dem Rio Paraguai. Viele fahren sich fest in Sandbänken. Andere lassen sich von kleineren Booten durch die tiefere Fahrrinne lotsen.

Das Versprechen wird eingelöst

Nicht, dass man sich auch nur einen Tag gelangweilt hätte im Pantanal. Und erst recht nicht auf dem Hausboot. Der Kontakt mit der Natur ist in diesem Fall eher noch intensiver. Alle sind ganz aufgeregt, als vom flachen Ufer aus eine “Sucuri“ (Eunectes murinus) – eine Grüne Anakonda ins Wasser gleitet. Sie ist mit zirka dreieinhalb Metern Länge ein noch junges Exemplar. Auf der Erde ist sie recht langsam – aber Vorsicht – ihr Biss ist zwar nicht giftig, aber wenn sie zupackt, und es ihr gelingt, ihr Opfer ins Wasser zu ziehen, umschlingt sie es und bricht ihm mit ihrer Muskelkraft sämtliche Knochen. Entgegen vieler Legenden, ist die Anakonda aber für den Menschen nur in Ausnahmefällen gefährlich – jedenfalls keine so kleine, wie die, die gerade durchs Wasser gleitet – übrigens sehr viel schneller als an Land.

Die Kreuzfahrt auf dem Fluss geht weiter. Gesucht werden offene Stellen in der Ufervegetation – Buchten voller Wasserlinsen. Plötzlich ein ausgestreckter Arm, die auf eine bestimmte Stelle deutet, die nur mit niederem Buschwerk bewachsen ist: Dort bewegt sich eine “Onça“ in Richtung auf den kleinen Sandstrand. Rennerei auf Deck, um die Kameras aus den Kabinen zu holen… und da ist sie, endlich zeigt sie sich!

Ein junges Weibchen, das jetzt zu posieren scheint – jeder Schritt, den sie tut, wird vom Klicken der Kameras begleitet. Sie spürt die Bewegungen, hält an und fixiert den Kameramann, der einen Film dreht. Die grosse, gefleckte Katze scheint selbstsicher, als ob sie wüsste, dass niemand ihr zu nahe kommen würde. Als Einzelgängerin, ein Habitus der Spezies, sucht sie nach Beutetieren. An der Spitze der Nahrungskette, ist ihr Speiseplan sehr vielseitig: Wildschweine, Wasserschweine, Kaimane, Hirsche, Gürteltiere, und andere. Im Pantanal gibt es kein Tier, das sich nicht vor ihr fürchten muss.

Die “Königin des Pantanals“ tut plötzlich einen kurzen Sprung nach rechts und hält dann einen Leguan mit den Zähnen fest. Sie ist so schnell, dass man die Szene gar nicht richtig mitbekommen hat. Mit ihrer Beute im Maul wendet sie sich jetzt gemächlich wieder dem Galeriewald zu, um dort in aller Ruhe ihr Mittagsmahl zu verzehren, abseits der neugierigen Kameras.

Tage, die man nie mehr vergisst… mit Erlebnissen, die unsere Seele berühren und uns mit Glücksgefühlen überschütten. Trotz der Eingriffe des Menschen befindet sich die Natur hier in einem wohltuenden Gleichgewicht. Und sie zählt auf jeden von uns, dass es so bleibt: So harmonisch, so frei, so friedlich und schön…