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Welt des Rio Cristalino

Veröffentlicht am 5. November 2011 - 11:07h

Haben Sie schon mal daran gedacht, eine Zeitreise zu machen oder eine ganz andere Welt kennenzulernen – die Welt des Rio Cristalino?

Es könnte sich wie die Behauptung eines Verrückten anhören, oder wie eine Sciencefiction – aber ich versichere Ihnen, dass alles der Realität entspricht – und zwar hier auf der Erde! Ich habe eine solche Zeitreise bereits gemacht und die andere Welt mit eigenen Augen gesehen, im Norden von Mato Grosso. Ich spreche von einem geschützten Waldgebiet – erhalten wie vor 500 Jahren – verschont von der Abholzung und anderen ambientalen Aggressionen. Eine andere Welt, und sie gehört den Vögeln.

Nachdem wir Alta Floresta per Auto verlassen haben, während einer Fahrt von ungefähr einer Stunde, entfernen wir uns langsam aus der Welt der Gegenwart. Wir verlassen die Stadt, vorbei an Viehzucht-Fazendas, durch abgeholzte Gebiete, bis wir das Ufer des Flusses Teles Pires erreicht haben. Der Kluss ist die Grenze zwischen dem Heute und dem Gestern. Per Boot überqueren wir den grössten Fluss Mato Grossos und biegen in den Rio Cristalino ein, der Wasserstrasse, die zum Park gleichen Namens führt – unberührt, wie die Natur ihn schuf. Minuten später sind wir vom Grün umgeben – Palmen, Kastanien, jahrhundertealte Bäume tauchen auf wie Wachposten über die Naturidylle. Lärm? Nur vom sprudelnden Wasser der Stromschnellen.

Wir gehen ganz in der Nähe des “Hotel da Selva Cristalino” an Land – es wurde so gebaut, dass es sich ohne Störung der natürlichen Vorgänge in das gegebene Ambiente einfügt. Hierher kommen zirka 400 Besucher pro Jahr, bewaffnet mit starken Ferngläsern und Kameras, mit nur einem Ziel: Vögel beobachten zu können. Die Mehrzahl besteht aus Ausländern. Und die Interessen und Geschmäcker dieser Birdwatcher sind gerade so verschieden wie unsere hiesigen Vogelarten.

Saffron finch
Ringed Kingfisher
Equatorial Antpitta
Red-headed barbet (Macho )
Grey-breasted mountain toucan
Senegal coucal
Southern ground hornbill
mergulhão-grande (Podicephorus major)
mergulhão-de-orelha-amarela (Podiceps occipitalis)
mergulhão-pequeno (Tachybaptus dominicus)
mergulhão-caçador (Podilymbus podiceps)
flamingo-chileno (Phoenicopterus chilensis)
flamingo-dos-andes (Phoenicoparrus andinus)
flamingo-dos-andes (Phoenicoparrus andinus)
flamingo-chileno (Phoenicopterus chilensis)
urutau-pardo (Nyctibius aethereus)
Diese Fotos stammen aus der Flickr Foto-Community und werden gemäß der Flickr-RSS API abgebildet.

Auch ich hatte nur ein Ziel: Die Grösst mögliche Anzahl an Vögeln zu erleben und mit der Kamera festzuhalten. Mit den Vögeln zu erwachen, heisst früh aufzustehen – und hier muss man sogar noch früher aufwachen als die Vögel! Um fünf Uhr früh bewegen wir uns bereits auf einem der Trails des Parks, geführt von Francisco, einem erfahrenen Guide der Birdwatcher. Er hört und sieht einen Vogel im Wald, noch bevor ihn einer seiner Gruppe erblickt, und er kennt sie fast alle mit “Vor- und Nachnamen”. Was für uns Normalverbraucher eine “Marianinha” ist, ist für Francisco eine “Pionites Leucogaster”.

Auf unserem Weg gab es einen Turm von der Höhe eines siebenstöckigen Gebäudes – er wurde errichtet, um einen besseren Einblick in die Vogelwelt zu erlauben. Aber um auf die obere Plattform zu gelangen, über den Baumkronen, braucht man eine gute Kondition – schliesslich sind da 228 Stufen, die man über eine enge, steile Treppe im Zick-zack überwinden muss. Aber wer die Vögel im Flug beobachten möchte, für den gibt’s keine andere Wahl als der Treppe die Stirn zu bieten!

Und die scheint kein Ende zu nehmen – besonders wenn man noch schweres Kameragerät hinauf schleppen muss. Endlich oben, hat sich alle Mühe gelohnt – man fühlt sich in einer anderen Dimension: Bis zum Horizont kann man den Wald erkennen – an diesem Morgen sind wir bereits bei Sonnenaufgang hier oben. Ein unvergessliches Erlebnis ist dieses Erwachen des Lebens aus unserer Perspektive über den Baumkronen beobachten zu können.

Die Sonne vergoldet den Horizont und löst die Nebelschwaden der Nacht langsam auf, die über dem Wald liegen. Die Vögel lassen sich hören und auch sehen. Plötzlich streicht ein Ara-Paar ganz dicht an unserem Hochsitz vorbei – Schreie und Flügelschlag in perfekter Synchronisation.

Ganz in der Nähe füttert ein Pärchen von “Marianinhas” seine Jungen, die gerade dem Nest entstiegen sind. Der gesamte Wald scheint einen Morgenchoral angestimmt zu haben – Hunderte von unterschiedlichen Stimmen sind zu vernehmen. Die Müdigkeit der Beine vom Treppensteigen schwindet – man weiss gar nicht mehr, wo man zuerst hingucken soll, vor lauter interessanter Einblicke ins pure Leben der Natur. Ob der vielen erstaunlichen Formen und Farben werde ich ganz nachdenklich – das tiefe Grün des Waldes unter mir, wunderschön, wie sich die Farben der Federn dagegen abheben. Auf der Spitze eines Zweiges sehe ich einen “Anambé azul”, der sein glänzendes, türkisblaues Gefieder der Sonne entgegenreckt. Papageien, Araçaris, Tukane, es ist eine fantastische Vogelwelt.

Wenn wir mal annehmen, dass alles, was wir nicht kennen, sozusagen ein Mysterium für uns ist, dann kann man den “Parque Estadual Cristalino” als eine Quelle von Mysterien betrachten. Schliesslich hat man in ihm schon mehr als 570 verschiedene Vogelarten identifiziert. Wie viele von ihnen werde ich wohl aus der Nähe zu sehen bekommen? Nur die Zeit wird mir die Antwort präsentieren. Aber eins weiss ich bestimmt: Die Vögel, die ich dort beobachten konnte, werde ich bestimmt nie vergessen!