Kennen Sie den Kaninchenkauz, oder den “Coruja-buraqueira” (Athene cunicularia) wie er in Brasilien heisst? Oh, er hat noch viele weitere Namen, zum Beispiel: “Caburé-do-campo, Coruja-do-campo, Coruja-mineira, Corujinha-buraqueira, Corujinha-do-buraco, Guedé, Urucuera, Urucureia” und “Urucuriá” – das Wort “Coruja” (Eule) deutet auf seine zugehörige Familie hin, und “buraqueira“ (buraco = Loch) auf seine Lebensweise in Erdlöchern. Obwohl er in der Lage ist, diese Erdlöcher selbst zu graben, zieht er es vor, in verlassene Erdlöcher von anderen Tieren einzuziehen – zum Beispiel in die von Wildkaninchen – und damit hätten wir auch seinen deutschen Namen erklärt.
Dieser Verwandte unseres Steinkauzes ist, im Gegensatz zu diesem, vorwiegend tagaktiv – meidet aber die Hitze der Tagesmitte. Er ist von Kanada bis hinunter nach Feuerland auf dem gesamten amerikanischen Kontinent verbreitet – auch fast im gesamten Brasilien, ausgenommen im Amazonas-Regenwald. Seine Körperlänge erreicht 27 cm – er wird zirka 9 Jahre alt in freier Wildbahn und 10 Jahre in Gefangenschaft. Sein Gelege besteht aus 6 bis 10 Eiern. Bevorzugter Lebensraum dieses Eulenvogels sind Savannen, Weiden, Küstenvegetation, Wüsten, Hochebenen, Strände und Flughäfen. Seine Beutetiere sind grosse Käfer, Eidechsen, Schlangen und Frösche.
Eigenschaften
Ein relativ kleiner Vertreter der Eulenvögel – ausgewachsen misst er zwischen 23 cm und 27 cm und wiegt zwischen 170 und 214 Gramm – seine Flügelspannweite liegt zwischen 53 cm und 61 cm. Sein Kopf ist rund, er hat gelbe, glänzende Augen, sein Schnabel ist grau, die Flügel sind in der Regel braun gefärbt, mit verschiedenen gelben Flecken. Diese Charakteristika können je nach Subspezies etwas variieren. Der Vogel hat relativ lange Beine und kräftige, graue Füsse, geeignet zum Laufen auf dem Boden – er hat einen kurzen Schwanz. Seine aussergewöhnliche Sehfähigkeit – einhundert mal genauer als die des Menschen – sein extrem empfindliches Gehör und der lautlose Flügelschlag sind der Aktivität als Beutejäger angepasst. Da seine grossen Augen nebeneinander an der Vorderseite des Kopfes sitzen – dadurch sieht er seine Beute mit beiden Augen gleichzeitig und zwar dreidimensional, wie der Mensch – muss er seinen Kopf drehen, um zur Seite blicken zu können, diese Drehung des Kopfes, bis zu 270 Grad, ist ebenso ungewöhnlich.
Die Ohren sind nicht, wie bei anderen Eulen, mit Haarbüscheln besetzt, die Gesichtshälfte ist abgeflacht. Über den Augen verlaufen weisse Brauen, unter dem Schnabel verläuft eine weisse, waagrechte Linie, die wie eine breit gezeichnete Mundöffnung aussieht. Die ausgewachsenen Tiere sind stark dunkelbraun gefärbt, Brust und Bauch beige, mit erdfarbenen Linien und verschiedenen Flecken in Braunvariationen. Die Jungtiere sind in ihrer Erscheinung ähnlich, aber dicker und unsicherer im Auftreten, mit halbfertigem Federkleid und insgesamt hellerer Färbung. Ihre Brust ist vollkommen weiss, ohne jene braunen Flecken, mit einem weissen Streifen, der sich über die gesamten Deckfedern hinweg zieht. Männchen und Weibchen sind sich in Grösse und Erscheinung ähnlich, allerdings sind ausgewachsenen Männchen etwas grösser als die Weibchen, und diese normalerweise etwas dunkler gefärbt als die Männchen. Der grösste Feind des Kaninchenkauzes ist der Mensch, wenn man bedenkt, dass die kleine Eule als Raubvogel fast keine natürlichen Feinde hat. Jedoch der zerstörerische Autoverkehr über die Strandvegetation ist die grösste Gefahr für die kleinen Höhlenbewohner, denn wenn die Räder den Höhleneingang überfahren, verschliessen sie den Erdtunnel und ersticken Mutter und Jungtiere im Sand.
Verhalten
Kaninchenkauze zeichnen sich durch einzigartige Verhaltensweisen aus, die man bei anderen Eulen nicht findet. Zum Beispiel kann man sie während des Tages beobachten, wie sie kerzengerade auf der Erde oder auf exponierten Aussichtsplätzen stehen – auf Zaunpfählen, Baumstämmen, Mauern oder Kakteen – und nämlich auf einem Bein, eine Ruhestellung die zwar bei anderen Vögeln auch recht häufig ist, aber nicht bei anderen Eulen. Der Vogel benutzt die Erdhöhle als Wohnung, aber auch zur zwischenzeitlichen Ruhe während der heissen Tagesstunden, um sich zu verstecken und um sein Nest anzulegen – in der Regel für ein Paar. Er ist eine reservierte Eule, aber relativ tolerant gegenüber humaner Präsenz. Wenn er seine Höhle selbst graben muss, dann tut er das mit Hilfe der Füsse und des Schnabels, dabei verdreckt er sich furchtbar – vielleicht deshalb zieht er die fertigen Löcher vor – zum Beispiel von Gürteltieren, Erdhörnchen, Präriehunden oder südamerikanischen Dachsen. Im Frühling wählt oder gräbt das Männchen eine Höhle – normalerweise an Stellen mit niederem Bewuchs, wo er leicht Insekten und kleinere Nagetiere auf dem Boden fangen kann.
Das Eulenpärchen wechselt sich beim Graben der Höhle ab – das Ende des etwa drei Meter langen Tunnels wird etwas breiter angelegt und mit trockenem Gras ausgepolstert. Man hat die kleinen Eulen auch in Kolonien beobachtet, mit einem kleinen Zwischenraum von Loch zu Loch. Solche Gruppierungen können eine Antwort auf ein reichliches lokales Nahrungsangebot sein – oder eine Anpassung zu gemeinsamer Verteidigung. Denn die Mitglieder der Kolonie können sich bei Gefahr gegenseitig warnen oder zusammen die Flucht ergreifen.
Kaninchenkauze haben die Angewohnheit, eine breite Vielfalt an Materialien zur Auspolsterung ihres Nestes zu sammeln. Am häufigsten sammeln sie trockenen Rinderdung (Kuhfladen), die sie sowohl in der Nisthöhle als auch rund um den Höhleneingang verteilen. Zuerst nahm man an, dass die Eule dies tut, um den Geruch der Eier und der Jungen zu verbergen und sie so vor Beutejägern zu schützen – dann hat man entdeckt, dass hinter diesem Tun eine kreative Idee ganz anderer Art steckt: Die trockenen Kuhfladen locken eine Menge Mistkäfer und auch andere Insekten an, die in dem Dung ihre Eier ablegen – und die zur Nahrung der Kaninchenkauze gehören. Auf diese Weise liefern die trockenen Dungplatten dem abwechselnd brütenden Eulenpärchen kontinuierlich Nahrung, ohne dass sie sich deshalb vom Nest entfernen müssen.
Wenn Gefahr im Verzug ist, stossen die Eulen einen hohen, starken und schrillen Schrei aus. Dieser Alarm wird tagsüber ausgelöst, er warnt alle Vögel der Gruppe und die Jungen marschieren schnurstracks zurück in ihre Nisthöhle – während ihre Eltern von einem erhöhten Standpunkt aus die Gefahr beobachten und entschlossen angreifen, falls ihre Jungen bedroht sind. Sie können allerdings auch andere Töne von sich geben, die als Schläge und Schreie beschrieben werden – letztere klingen wie “piá, piar, piaaar“. Wenn die Tiere diese Töne von sich geben, bewegen sie ihre Köpfe nach oben und nach unten. Die Jungtiere geben ebenfalls Töne von sich: Wenn man sie stört, produzieren sie einen Ton, der wie das warnende Gerassel einer Klapperschlange klingt – so verjagen sie Beutemacher.
Nahrung und Jagd
Der Speisplan des Kaninchenkauzes ist äusserst vielfältig – er kann ihn je nach Situation, Jahreszeit und Habitat verändern und anpassen. Beutetiere sind: Kleine Säugetiere wie Mäuse und Ratten, kleine Vögel, Frösche, grosse Käfer und Insekten, wie zum Beispiel Heuschrecken, kleine Reptilien, Fische und Skorpione. Im Gegensatz zu anderen Eulen, fressen sie auch Früchte und Samenkerne. Gerade weil sie Ratten und Mäuse fressen, sind sie ein Segen für die Landwirtschaft. Am häufigsten sind sie während der Morgen- und Abenddämmerung auf Jagd. Diese Jagd erfolgt in der Regel im Flug, aber es gibt auch Momente, in denen die kleinen Eulen ihre Beute zu Fuss verfolgen. Wenn sie Junge haben, sind sie sogar rund um die Uhr auf Beutejagd.
Kaninchenkauze bedienen sich unterschiedlicher Fangtechniken, je nach Art der Beutetiere: Insekten, zum Beispiel, fangen sie zu Fuss auf dem Boden – Lieblingsspeise Heuschrecken – aber sie gebrauchen auch ihre Füsse, um grosse Insekten (z.B. Käfer) blitzschnell aus der Luft zu holen. Grössere Tiere belauern sie auf Zaunpfählen sitzend oder auf Termitenhügeln, von denen sie sich auf das ahnungslose Opfer stürzen. Auch einem Menschen können sie mit ihren scharfen Schnäbeln und Krallen schlimme Wunden zufügen – also bleiben sie weg von einem Kaninchenkauz-Nest.
Reproduktion
Die Zeit der Fortpflanzung beginnt zwischen März und April. Die kleinen Eulen sind in der Regel monogam – in Ausnahmefällen wurden allerdings schon zwei Gefährtinnen eines Männchens beobachtet. Bevorzugte Nisthöhlen sind solche in sandigem Boden – deshalb ist auch die Gefahr an den Stränden für sie so gross (nicht nur für sie, sondern auch für andere Tiere, die dieses Habitat vorziehen – und die brasilianische Regierung bringt es nicht fertig, die Strände für den Autoverkehr zu sperren, was auch vielen Badegästen ein Dorn im Auge ist). Gelegentlich kann man Höhlen der Kaninchenkauze auch auf anderen offenen Ebenen beobachten, wie zum Beispiel Flughäfen, Golfplätze oder brach liegende Felder.
In die Nisthöhle, zwischen 1,5 und 3 Metern Tiefe und 30 bis 90 cm Durchmesser unter der Erde, legt das Weibchen zwischen 6 bis 12 Eier – sie sind weiss und rund. Während dieser Brutzeit werden die Eltern ausgesprochen aggressiv – sie greifen alles und jeden an, der sich ihrem Nest nähert, sei es ein Hund, eine Katze, ein Kuh oder ein Mensch.
Das Weibchen legt die Eier im Abstand von einem bis zwei Tagen, bis das Gelege komplett ist – neun Eier sind die Regel. Dann brütet sie die Eier innerhalb von 28 bis 30 Tagen aus – das Männchen füttert sie unterdessen. Während die Mehrzahl der Eier ausgebrütet wird, überleben aber in der Regel nur etwa sechs Junge, um das Nest zu verlassen. Nach dem Schlüpfen werden die Jungen von beiden Eltern gefüttert. Etwa vier Wochen danach kann man die Jungen am Höhleneingang beobachten, wie sie dort hocken und auf die Eltern mit Nahrung warten. Mit 44 Tagen verlassen sie die Nisthöhle und fangen an, sich in kurzen Flugmanövern zu versuchen. Im Alter von zirka 60 Tagen beginnen sie, kleine Insekten zu erbeuten, die rund um den Höhleneingang vom verteilten Kuhdung angelockt werden. Noch helfen die Eltern bis zu weiteren drei Wochen lang, ihre Brut zu versorgen.