Leider nützt den Primaten dieser Welt auch ihre genetische Verwandtschaft mit uns Menschen wenig, wenn es ums Überleben geht. Die Rote Liste der 25 vom Aussterben am meisten bedrohten Primaten unseres Planeten enthält, unter anderen, auch unsere allernächsten Verwandten, wie die Gorillas, mit denen 98% unserer menschlichen Gene übereinstimmen! Die Liste existiert seit dem Jahr 2000, geschaffen von Russel Mittermeier, von der “Conservation International“ (CI) und William R. Konstant, von der Primatologen-Gruppe der „International Union for Conservation of Nature and Natural Resources“ (IUCN). Sie wird periodisch auf Weltkongressen der Internationalen Gesellschaft für Primatologie korrigiert und ergänzt, wo die grossen Spezialisten des Primatenstudiums aller Länder zusammentreffen.
Die Namen auf der Roten Liste wechseln, je nach Vertiefung der Forschung, und es tauchen neue Informationen auf über die Situation einer jeden der zirka 620 bekannten Primaten-Spezies. Jene 25 vom Aussterben bedrohten Arten sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs, denn inzwischen steht fast, dass mindestens 100 weitere Arten sich im Stadium kritischer Bedrohung befinden.
Die Rote Liste soll jene Spezies hervorheben, die Aktionen zu ihrer Erhaltung am schnellsten und nötigsten brauchen, und denen in ihren Heimatländern oder innerhalb der Gemeinschaft internationaler Ambientalisten nicht die entsprechende Aufmerksamkeit zuteil wird. Die neueste Auflage der Liste enthält Primaten aus 17 Ländern. Madagaskar und Vietnam sind die beiden kritischsten Territorien, mit der grössten Anzahl endemischer Arten: vier in jedem der beiden Länder.
Dahinter stehen Brasilien und Indonesien, mit jeweils drei Arten. Auf Kolumbien, China, Guinea Äquatorial und Kenia entfällt jeweils eine Spezies der Liste. Die Elfenbeinküste und Ghana werden von einem Primaten bewohnt, dessen Habitat deren Grenzregion ist – die Russmangabe (Cercocebus atys linulatus), aus der Familie der Meerkatzen, des Weiteren zwei Gorilla-Spezies, die auf mehrere Länder verteilt sind: der Cross-River-Gorilla (Gorilla gorilla diehli) in Kamerun und Nigeria, sowie der Östliche Flachlandgorilla (Gorilla beringei) aus dem Kongo, Ruanda und Uganda.
Brasiliens gefährdete Primaten
Seit 1990 steht auch der brasilianische “Mico-leão-de-cara-preta” (Leonthopithecus caissara) – das Schwarzkopf-Löwenäffchen – auf dieser Roten Liste. Dieser kleine Primat lebt innerhalb des grössten Restbestands Atlantischen Regenwaldes zwischen den Bundesstaaten Paraná und São Paulo, im Küstengebiet. Man schätzt, dass weniger als 400 Exemplare innerhalb eines restlichen Waldbestandes von 300 Quadratkilometern übrig sind. Der illegale Fang dieser Tiere für den internationalen Wildtierhandel und die Waldabholzung sind ihre grösste Bedrohung. Auch das Verschwinden der “Restinga“, eines der durch die Immobilienspekulation am meisten bedrohten Ökosysteme, begrenzt den Lebensraum dieser seltenen Primaten ebenfalls.
Eine weitere brasilianische Primaten-Spezies, unter den 25 auf der Roten Liste, ist der Nördliche Spinnenaffe (Brachyteles hypoxanthus). Seine Restpopulation, die vor den Wilderern und deren Kochtöpfen fliehen konnte und auch den Waldrodungen entkam, besteht heute aus 700 bis 1.000 Tieren. Sie leben in isolierten Gruppen innerhalb der Wälder von Minas Gerais, Espirito Santo und Bahia. Eine der bedeutendsten Gruppen von 225 Individuen bewohnt die “Reserva Particular do Patrimônio Natural (RPPN)“ – ein privates Reservat in “Caratinga“, im Bundesstaat Minas Gerais, und beweist damit die Bedeutung von privaten Unternehmen für die Erhaltung jener letzten grossen natürlichen Vegetations-Fragmente des Zentralen Südens.
Im Gegensatz zu seinen häufigeren Verwandten, hat sich der Gelbbrust-Kapuziner (Cebus xanthosternos) nicht an ein Zusammenleben mit dem Menschen gewöhnen können und gehört folglich zu den gefährdetsten endemischen Arten des Atlantischen Regenwaldes. Er stammt aus Bahia und Minas Gerais und leidet unter der exzessiven Fragmentierung des Waldes und der Wilderei. In der Regel werden die ausgewachsenen Tiere für den Fleischkonsum abgeschossen und die Jungtiere als Maskottchen gehalten. Eine Population von 185 Überlebenden existiert in der “Reserva Biológica de Una“ – einem Reservat in Süd-Bahia, aber es gibt keine weiteren verlässlichen Angaben über eine Zahl von Individuen in anderen Wald-Restbeständen.
Die “Sociedade Brasileira de Primatologia” hat nun eine eigene Liste der 10 bedrohtesten brasilianischen Primaten herausgebracht und veröffentlicht. Die Liste wurde am 18. Februar diesen Jahres, während des 110. Primatologie-Kongresses in “Porto Alegre” (Bundesstaat Rio Grande do Sul), angenommen. “Die Verbreitung einer solchen Liste schürt die Aufmerksamkeit und das Interesse der öffentlichen Meinung an notwendigen Schutzmassnahmen dieser Spezies“, bestätigt einer der Initiatoren. “Diese Listen tragen zur Schaffung neuer Erhaltungs-Einheiten bei – zur Erweiterung des Naturschutzes in bereits bestehenden Arealen und zur Durchführung von genaueren Untersuchungen der Situation, ausserdem wecken sie das Interesse neuer Forscher, mit Tieren zu arbeiten die einer besonderen Aufmerksamkeit und Widmung bedürfen“.
Alle Arten auf der brasilianischen Liste sind als “kritisch vom Aussterben bedroht“ von der IUCN eingestuft worden. Drei davon – das Schwarzkopf-Löwenäffchen, der Gelbbrust-Kapuziner und der Nördliche Spinnenaffe – sind auch auf der Liste der 25 meist bedrohten Primaten der Welt verzeichnet.
Das grösste Problem für alle stellt der Verlust ihres Lebensraumes durch Waldabholzung dar. Das Vorkommen des Zweifarben-Tamarin (Saguinus bicolor), zum Beispiel, ist auf eine kleine Regenwaldregion begrenzt – just im Umfeld der Grossstadt Manaus. Obwohl er nur klein ist – zirka 20 Zentimeter, mit einem Schwanz von 30 Zentimetern – hat er es geschafft, sich den sekundären Wäldern anzupassen, aber er verliert weiter an Lebensraum durch die Ausbreitung der Stadt. Und um seine Situation noch problematischer zu machen, ist ein anderer Primat derselben Gattung – der Rothand-Tamarin (Saguinus midas) – in sein Territorium eingefallen, gezwungenermassen, ebenfalls durch die zunehmende Verringerung seines originalen Territoriums.
Die beiden Arten der Gattung Cebus – Cebus kaapore (Kaapori-Kapuziner) und Cebus xanthosternos (Gelbbrust-Kapuziner) – leben ebenfalls in beengten Gebieten und leiden unter der Umgestaltung der landwirtschaftlichen Nutzung des Gebietes. Vorher hatten sie sich an die Kakaoplantagen angepasst, begrenzt vom Wald, aber nach der Kakaokrise in Bahia durch den Schädlingsbefall, verlieren sie ihren Lebensraum. Die beiden Springaffen (Callicebus barbarabrownae) und (Callicebus coimbrae) stehen vor dem gleichen Problem. Der Erste war ursprünglich zwischen Bahia und Sergipe verbreitet, verlor aber viel von seinem Lebensraum durch die Immobilien-Spekulation. Der Zweite ist noch schlechter dran, denn er ist nur im Bundesstaat Sergipe verbreitet.
Das Überleben der beiden Brüllaffen-Spezies (Alouatta belzebul ululata) und (Alouatta guariba), auf der brasilianischen Liste, ist immer noch gefährdet durch Wilderer, die diese Primaten für ihre Kochtöpfe abschiessen. Beide sind Tiere mittlerer Grösse – etwa 50 Zentimeter hoch – man kann sie leicht aufspüren wegen ihres Gebrülls, das kilometerweit hörbar ist.
Für die beiden Löwenäffchen auf der brasilianischen Liste – dem Rotsteiss-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysopygus) und dem Schwarzkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus caissara) – sind das Einfangen für den illegalen Tierhandel und die Fragmentierung des Atlantischen Regenwaldes durch die Landwirtschaft das grösste Problem. Die anderen beiden Löwenäffchen-Arten – das Goldene (Leontopithecus rosalia) und das Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) – befinden sich nicht mehr unter jenen 10 stark gefährdeten Arten, denn ihre Situation hat sich durch rigorose Schutzmassnahmen ein wenig gebessert als die ihrer Verwandten in den Bundesstaaten São Paulo und Paraná.
“Die Auswahl der Primaten für die Liste richtet sich nach präzisen Informationen, und die Tatsache, dass einige Arten nicht in sie aufgenommen wurden, bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie nicht bedroht sind, sondern nur, dass andere Arten sich in noch schlechterer Situation befinden“ erklärt Claudio, Mitglied der “Sociedade Brasileira de Primatologia“. “In der letzten internationalen Roten Liste wurden zum Beispiel einige Arten aus Vietnam aufgenommen und andere wieder fallen gelassen. Nicht weil die Situation letzterer sich gebessert hatte, sondern weil man bis dato keinerlei Informationen Vietnam hatte und dann plötzlich feststellen musste, dass die Primaten dieses Landes noch viel schlimmer dran waren“.