Man benötigt schon ein bisschen Geschick, um die Fotoapparate mit ihren schweren Teleobjektiven auf dem leicht schwankenden Boot in eine sichere Position zu bekommen. Rasche Schwenks sind dabei genauso unmöglich wie das Umsetzen der Stative, will man den anderen Naturfreunden auf beiden Seiten nicht in die Quere kommen. Geduld ist gefragt hier am äußersten Ende der Transpantaneira inmitten des schier unendlichen Pantanal im äussersten Westen Brasiliens.
Doch alle Anwesenden haben das gleiche Ziel und halten daher trotz stechender Sonne weiter Ausschau nach dem Objekt der Begierde: dem Onça Pintada, dem Jaguar. Die drittgrößte Raubkatze der Erde galt als fast ausgerottet, gejagt wegen des markanten Felles oder getötet von Viehzüchtern, die um ihre Jungtiere fürchteten. Einst lebten die majestätischen Tiere von den USA bis in den Süden Argentiniens in den tropischen und subtropischen Regenwäldern des Kontinenten, heute sind sind nur noch in vereinzelten Regionen zu finden. 1982 erstmalig als „gefährdet“ eingestuft, werden sie seit 2002 in der Liste der Weltnaturschutzunion International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) wieder als „gering gefährdet“ aufgeführt. Denn dank eines nachhaltigen Naturschutzes steigt vor allem im brasilianischen „wilden Westen“ die Population wieder deutlich an.
Doch dies macht eine Beobachtung nicht einfacher. Die Einzelgänger beherrschen Reviere von bis zu 150 Quadratkilometern und sind daher in freier Wildbahn extrem schwierig aufzuspüren. Im Pantanal mit seinen Galeriewäldern und zahlreichen Flüssen kann man dabei schon Glück haben, auch wenn manchmal ein wenig nachgeholfen wird. Vereinzelte Tiere sind mit GPS ausgestattet, auch wurden teilweise Futterstellen angelegt, an welche die Raubkatzen gerne einmal zurückkehren. Und dann liegen dort Touristen und Tierliebhaber aus allen Herren Ländern auf der Lauer, um die Geschehnisse digital einzufangen.
Besonders die abgeschiedene Region rund um Porto Jofre ist dafür mehr als geeignet. Dann hier herrscht nicht nur die größte Population des südamerikanischen Jaguars, hier ist der Verwandte des Löwen, des Tigers oder des Leoparden – sie alle gehören zur Gattung „Panthera“ – auch deutlich größer als in Mittel- und Zentralamerika. Und deshalb nimmt man auch gerne die langwierige Anreise über die Schotterstraße mit ihren vielen scheinbar unbefestigten Holzbrücken in Kauf, um das äusserste Ende des Pantanals zu erreichen. Um dort dann tagelang in einem Boot auszuharren.
Die Chancen, einen Onça Pintada zu sichten, sind in dieser Region allerdings ziemlich hoch. Bis zu 90 Prozent Erfolgsquote verzeichnen die Touranbieter, auch dank der bereits angesprochenen Technologie. Diese gilt primär natürlich den Wissenschaftlern für die Erforschung des Lebensraumes der Tiere, gereicht natürlich aber auch dem Öko-Touristen zum Vorteil. Und diese können dank dem Ausbau des nachhaltigen Tourismus in der Region gleich bei mehreren Anbietern ein solches Erlebnispaket quer durch das größte Feuchtgebiet der Erde buchen.
Pantanal Nature bietet zum Beispiel ein mehrtägiges Paket in einem einfachen Camp inmitten der Natur an, von wo aus täglich noch vor dem Morgengrauen aus die Gegend erkundet werden kann. Neben den begehrten Jaguaren huschen dabei jedoch mit Sicherheit auch eine Vielzahl andere Tiere an den Linsen der Film- und Fotoapparate vorbei: Kaimane, Wasserschweine, Fischotter, Nasenbären, Ameisenbären, Tapire, Gürteltiere und unzählige Arten von Vögeln, was vor allem bei Ornithologen wahre innere Begeisterungsstürme auslöst. Zu Fuß oder mit dem Boot geht es dabei auf die Pirsch in dem unvergleichlichen Schwemmland, welches ein Großteil des Jahres unter Wasser steht. Für die Beobachtung der Großkatzen bietet sich daher die Trockenzeit von Juni bis November an.
Das große Jaguar-Erlebnis kann also mit Geduld und ein wenig Glück vor allem während des Tages zahlreiche digitale Trophäen hervorbringen, Lohn der Geduld und des Ausharrens im faszinierenden Ökosystem weitab der Zivilisation. Die vorstehende Galerie zeigt dabei nur wenige Momentaufnahmen aus dem Leben der bis zu 100 Kilo schweren Tiere, die rund die Hälfte des Tages im Dickicht ihre Pfoten von sich strecken und lieber in der Kühle und im Schutze der Nacht auf Beutezug gehen. Und trotzdem sind es unvergessliche Sekunden für diejenigen, die ihre schweren Teleobjektive zur richtigen Zeit auf den richtigen Fleck gerichtet hatten. Und somit den anderen Naturfreunden trotz eines leicht schwankenden Bootes einen Schnappschuß voraus waren.